von Trier nach Welschbillig (20.07.2020)

Connecting feet bzw. Wheels

Geht doch mal gar nicht, dass ich eine Etappe auf meiner Pilgerstrecke von Köln nach Santiago de Compostela auslasse.

 

Christine Thürmer, die Autorin von "Weite Wege wandern" nennt das "Connecting feet". Bedeutet, man darf eine Etappe nur dann auslassen, wenn wirklich Leib und Leben bedroht sind, ansonsten wandert man sie.

 

Da ich meine Pilgerreise sowieso doppelt absolviere, nämlich mit Füßen und Fahrrad, heisst es bei mir: "Connecting feet bzw. wheels",

wobei jedoch nur Fahrradräder gemeint sind. Mit dem Wohnmobil einfach vorfahren, gilt also nicht.

 

Ich musste mich dringend bewegen, hatte ich doch den sechsten Tag in Folge kein Bein mehr vor das andere gesetzt und wie schon beschrieben, fing ich an Knie und Fussschmerzen durchs Nichtstun zu bekommen.

 

Natürlich begleitete mich seit dem frühen Morgen schon der Gedanke: "Ohjeee, mit dem kaputten Knie" und "hmm, hoffentlich bekomme ich nicht direkt wieder eine neue Blase"

 

Aber half ja alles nichts, ich wollte ja genau das. Nämlich über meinen Schatten springen und heute hier sitzen und denken: "Siehste, auch das hast Du geschafft"

 

Da mein berühmt berüchtigter Pilgerführer bereits auf der vorherigen Etappe gewarnt hatte, dass die Wegstrecke der Jakobswegbeschilderung nichts für Fahrradfahrer wäre, überlegte ich schon ein wenig, wie ich es denn nun angehen sollte. Aber das Rad dabei zu haben (und wenn ich es nur schieben müsste), fand ich schon beruhigend. Irgendwann, wenn ich nur lange genug schob, kamen auch wieder Bergab-Strecken und dann wäre ich für kurze Zeit zumindest Queen.

Ich startete meine Tour wie immer gegen kurz nach 11:00 wie sich das für eine Kölnerin gehört und radelte an der Mosel entlang. Anfangs noch ein wenig zaghaft und wie man sieht auch von leichten Zweifeln geplagt, aber zunehmend frohgelaunter und mutiger.

Als Kulturbanausin, die ich nun mal bin, wusste ich anfangs nicht, ob dieses Teil auch zu den Weltkulturerben von Trier gehört oder ob es vielleicht nur ein halbfertiges Riesenrad ist.

 

Wie sich später rausstellte war es keine avantgardistische, überdimensionale Jakobsmuschel, sondern das am Abend fertiggestellte Riesenrad einer Kirmes.

Wobei ich gerade gegoogelt habe und festgestellt habe, dass es coronabedingt keine Kirmes bis 31.08.2020 gibt.

 

Hmm, bleibt also spannend, was ich da gesehen habe.

IAT - IA Tower. Was immer das ist und warum immer man so etwas baut. Warum baut man es in eine Umgebung die so schön ist wie die von Trier.

 

Das sind dann die Augenblicke, wo ich Menschen nicht mehr verstehe. Das kann doch bitte niemand schön und sinnhaft finden.

Die St. Jost Kapelle in Biewer. Leider war dieses Gebäude abgeschlossen, was ich gar nicht so recht verstehen kann, da diese Kapelle 20 Jahre lang wieder instand gesetzt worden ist. Die letzten Sanierungsarbeiten wurden 2011 abgeschlossen. Seit 2012 ist die Kapelle wieder für sakrale und kulturelle Zwecke nutzbar.

 

Die unmittelbare Nachbarschaft war zwar bewohnt, aber auf mein Klingeln öffnete Niemand. Ich bin dann weitergezogen.

Eine landschaftlich wunderschöne Gegend, die mal weniger

        und mal mehr vom Menschen berührt worden ist.

Ein echter M.C. Escher, wie nur die Natur ihn "zeichnen" kann.

 

(Der Baum wächst aber wirklich links aus dem Felsen waagerecht heraus)

St. Paulinus in Lorich hatte ich mir dann doch anders vorgestellt:

" Die sehenswerte Kirche St. Paulinus, die schon auf die Verehrung des heiligen Paulin in Trier hinweist, liegt über dem Dorf im Schatten alter Esskastanien". Nun gut, unter sehenswert hatte ich dann doch etwas anderes erwartet.

 

Eine wiederum schöne Geschichte ist die, wie ich zu St. Paulinus gefunden habe. Es war ja mal wieder Mittagszeit und der kleine Ort lag in brütender Hitze und verlassener Stille. In einem kleinen Garten sass ein älterer Herr auf einer Bank, den ich nach dem Weg fragte, bzw. ob dieser Ort denn auch eine Kirche hätte. Nachdem er mir meine Frage bejahte, meinte er: "Die ist aber abgeschlossen, wollen Sie denn rein?"

"Öhm, ja, schon..., aber...", er darauf: "Im Mauerwerk des Torrahmens ist ein Vorsprung und auf dem Vorsprung liegt der Schlüssel, dann können Sie auch rein" ich so: "Okayy, dankeschööön"

 

Ich freute mich total und hatte trotzdem beim Aufschliessen der kleinen Kirche ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Leider gab es keinen Stempel, aber ein Kerzenopfer konnte ich darbringen. Dummerweise hatte ich mein Portemonaie im Rucksack draussen auf dem Fahrrad gelassen. Ich musste also wieder raus und die Treppen runter. Die Kirche liess ich während dieser Zeit offen und wieder beschlich mich dieses komische Gefühl von schlechtem Gewissen und riesiger Verantwortung. Ich war froh, als meine Kerzen brannten, ich noch schnell dem lieben Gott "Tschüss" gesagt, abgeschlossen und den Schlüssel wieder ordentlich auf dem Absatz im Mauerwerk verstaut hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und weiter gings. Schieben, rollen, schieben, rollen,.....

St. Remigius in Butzweiler war dann wirklich sehenswert.

"Die Längswände der barocken Kirche St. Remigius schmücken 12 große Apostelabbildungen über den Apostelleuchtern"

Ich hab dann mal nur den guten Jakobus fotografiert und den "Mutmach-Altar". Darüber war die Figur des heiligen Georgs dem Drachentöter.

Nach Butzweiler fing das Spiel dann wieder an. Ich habe die Wege ausserhalb der Jakobswegbeschilderung mit einer Wander-App geplant. Bei der Eingabe fragt sie dich, ob du joggst, läufst, wanderst, mit dem Fahrrad, Rennrad, Mountainbike, E-Bike oder sonstwas fährst/gehst.

Ich war mir also sicher bzw. hoffte auf nur befahrbare Wege.

Es sollte anders kommen.

Danach habe ich keine Bilder mehr machen können.

Als es am Wald vorbei, linker Hand Felder und rechter Hand Sträucher und Geäst weiterging, wußte ich nicht wem ich mehr Aufmerkamkeit widmen sollte. Meinen nackten Beinen oder der Kette und den Speichen meines Fahrrades.

Dann trat ich aus dem Wald und stellte fest, dass die App mir doch tatsächlich die Strecke gewiesen hatte, die ich auch nach der Beschilderung des Jakobsweges gegangen wäre. Diesmal brauchte ich der Muschel nun nicht mehr zu folgen, da ich ja rückwärts ging.

So kam ich dann irgendwann in Möhn an und betrat St. Lucia. Leider war ich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Lage meinen Pilgerführer hervor zu kramen und die wichtigsten Eckdaten über St. Lucia zu lesen. Sonst wäe mir hinten rechts an der Säule die "Siebenschläfergruppe" nicht nur beiläufig aufs Bild geraten.

 

"Der Legende nach handelt es sich um sieben junge Christen, die sich im Jahr 251 bei einer Verfolgung durch Kaiser Decius in einer Berghöhle in Sicherheit brachten. Dort wurden sie von ihren Verfolgern eingemauert und schliefen 195 Jahre lang. Am 27. Juni 446 wurden sie zufällig entdeckt, wachten auf, um den Glauben an die Auferstehung der Toten zu bezeugen und starben wenig später. Seither gilt der 27. Juni als Siebenschläfertag, der auch als Prognosetag für das Wetter bekannt ist: 'Das Wetter am Siebenschläfertag sieben Wochen bleiben mag'"

 

Was das eine aber jetzt mit dem anderen zu tun hat, konnte mir auch Google nicht beantworten.

Von Möhn ging es, wie nicht anders zu erwarten, in Feldweg-Serpentinen den Berg hoch. Mir kam eine jungere Wanderin entgegen , die verdächtig langsam ging. Als sie mich, ihr schiebend entgegenkommen sah, erhellten sich ihre Gesichtszüge und sie meinte: "Sie wissen schon, dass das jetzt noch eine ganze Zeit bergauf geht!?"

Ich versicherte ihr, dass ich nichts anderes erwartet hätte und wir kamen ein wenig ins Gespräch. Sie hatte angefangen im Urlaub immer ein wenig etwas vom Jakobsweg ab Köln zu gehen. Sie trug einen lustigen Sonnenhut und hatte, wenn sie es denn tat, ein strahlendes Lachen. Leider hatte sie die falschen Schuhe an und sich bösartige Blasen gelaufen. Auch ihr machte das permanente und lange bergAB gehen erhebliche Schwierigkeiten. Noch dazu hatte sie dicke nicht richtig eingelaufene Wanderschuhe an. Trier war jetzt erstmal ihre letzte Station in diesem Urlaub, sie wollte im Herbst weitergehen. Wir wünschten uns "buen camino" und gingen jeweils in die entgegengesetzten Richtungen den Serpentinenweg weiter. Ich dankte dem lieben Gott dafür, dass es gleich auch für mich nur noch bergab ging, ich aber diesmal nicht meine Kniee maltretieren musste, sondern gemütlich auf dem Sattel meines Fahrrades sitzend dahinsausen durfte.

Ich rollte, ja schwebte fast in den von mir nicht so dolle geliebten Ort Welschbillig und fuhr als erstes noch einmal auf meinen "Stellplatz" um das vergessene Bild nachzuholen. Danach ging es zu der am Montag offenen Eisdiele. Ich betone das so, da in der Eifel vorwiegend am Montag RUHETAG ist und nichts (in Worten: gar nichts) geöffnet hat.

 

Ich hatte ihn mir vorher schon versprochen und dann ging ich mit meinem kleinen Schatz schiebend zur Kirche und verspeiste ihn, den kleinen

                                                                                               A M A R E N A B E CH E R

Gegenüber der Kirche war direkt die Bushaltestelle. Hier fährt jede Stunde ein Bus nach Trier ab. Der nimmt sogar Fahrräder mit.

Ich war stolz wie Oskar, als ich mich hinter ihm auf mein Rad schwang und den Heimweg nach Trier anfing zu radeln

Knapp sechs Stunden später ist deutlich zu erkennen, dass es sich wohl doch eher um ein Riesenrad handeln muss.

Ich verspreche, ich werde es noch heraus finden