von Prüm nach Waxweiler (29.06.2020)

Manchmal reichen drei Engel nicht aus

Es war Montag, das Gewitter welches mich am Morgen in aller Herrgotts Frühe geweckt hat, hatte sich verzogen. Der Himmel klarte auf und ich hatte einen Plan von diesem Tag.

 

Mein Pilgerführer warnte mich mit dem Hinweis: "Schwierigkeitsgrad zu Fuß: mittel bis hoch, steiler Aufstieg von Prüm nach Rommersheim, steiler Abstieg nach Waxweiler, zum Teil auf Fußpfaden, Wald- und Feldwegen..."

 

Ich hatte mir meine Trekkingstöcke an den Rucksack gepackt, an meine Kopfbedeckung gedacht, ausreichend Wasser und Proviant eingesteckt und gedacht, dass mir mit meinen Pilgererfahrungen und dem Erreichen meines vorherigen Zieles nichts passieren kann.

 

Ich hatte Hochachtung vor der Strecke, aber ich glaubte auch, mit der nötigen Ruhe und einem Schritt vor den anderen würde ich irgendwann am Ziel sein.

Guter Dinge verließ ich Prüm, um schon nach wenigen Metern, auf der doch stark befahrenen Landstraße, auf den Wanderweg in den Aufstieg geschickt zu werden. Leider kommt auf den Bildern die Steigung nicht wirklich zur Geltung.

Schon bald musste ich die Stöcke zur Hilfe nehmen, um dann auch festzustellen, warum solche Hilfsmittel das Wandern oder steile Wege kraxeln, doch wirklich erleichtern.

Ich fand alles klasse und verschickte an meine daheim Gebliebenen Bildchen von mir, dem Trekkinghütchen und den Wanderstöcken, die ich hier jedoch lieber nicht veröffentlichen möchte.

Nachdem ich den Aufstieg geschafft hatte und nun vorwiegend über freie Felder Richtung Rommersheim stapfte, entdeckte ich schon bald die ersten Schilder zur "Schönecker Schweiz".

 

Ich dachte, mach mal Foto, weil Schönecker Schweiz da stand ja auch was von drin in deinem Pilgerführer.

 

Schon auf der Reststrecke nach Prüm war  mir aufgefallen, dass die Beschilderung für den Jakobsweg nachgelassen hatte.

 

Von Köln nach Kronenburg gab es nicht eine Kreuzung oder eine Weggabelung an der nicht die gelbe Muschel auf blauem Grund auf einem Baum, einer Laterne, einer Hauswand oder einem eigens dafür hingestellten Pfosten angebracht war, die dir auch mit darunterstehendem Richtungspfeil angab, welchen Weg du nehmen sollst.

 

Seit Prüm hatte das aufgehört. Teilweise waren Beschilderungen so sinnfrei angebracht, von der Sonne verblichen oder bedigt durch defekte Halterung in falsche Richtungen weisend, oder einfach nicht vorhanden, dass man sehr viel Gottvertrauen haben musste um immer wieder auf den rechten Weg zu finden.

Mehr durch den Augenkontakt als durch die Beschilderung fand ich dann auch zu St. Maximin in Rommersheim.

 

Leider verlor ich ab dann nicht nur den Weg sondern auch ein wenig die Nerven.

Ich durchquerte Rommersheim ganze zweimal ohne den Jakobsweg in Richtung Schönecker Schweiz wiederzufinden.

 

Der erste Engel (eine Autofahrerin mit ihrem Kind auf dem Rücksitz), der mir geschickt wurde, wusste zwar den Weg zur Schönecker Schweiz, hätte mich sogar mit dem Auto dort hin abgesetzt, wusste aber nicht, ob das auch der Jakobsweg war.

 

Hätte ich mich nur trotzdem an seine Wegbeschreibung gehalten, mir wären bestimmt zwei, wenn nicht drei zusätzliche Kilometer erspart geblieben.

 

Der zweite Engel (eine Mutter, die mit ihren beiden Kindern, die Strasse überquerte), schickte mich dann noch einmal durch den ganzen Ort, aber auf einer Parallelstrasse zu der Strasse auf der ich die ganze Zeit gewandelt war und siehe da, ich betrat die Hauptstraße und das erste was ich sah, war meine gelbe Muschel.

 

Ich schöpfte wieder Mut und Hoffnung. Wäre ich doch fast einfach die Landstraße runter nach Schönecken gewandert, egal ob da ne Muschel war oder nicht. Nun endlich war ich wieder auf dem rechten Weg und ich sollte es bei Leibe nicht bereuen.

Bilder sind einzeln anklickbar zu vergrößern. Schautafeln sind nicht uninteressant zu lesen

So ging ich also aus dem Ort hinaus, an Kornfeldern vorbei, immer weiter in Richtung auf den Wald zu.

Kilometer um Kilometer wanderte ich durch diese wunderschöne Natur und es wurde mir wieder leicht ums Herz. Auch wenn ich im Wald mehrmals nach dem richtigen Abzweig suchen musste, entschädigte mich der Weg durch die "Schönecker Schweiz" um Einiges.

Bis ich auf die Lichtung zur Landstraße hinaustrat und wieder einmal die Jakobswegtafel angeschlagen vorfand. Es war nachmittags kurz vor vier und mir war klar, dass ich durch meine Verlauferei nicht vor 20:00 Uhr in Waxweiler ankommen könnte. Als ich dann aber sah, dass ich ab jetzt noch 14 Kilometer vor mir hatte, versagte nicht nur mein Mut sondern vorübergehend auch meine Kraft und mein Wille.

 

Ich redete mir ein, dass ich die Karte nicht verstehen würde und schritt tapfer in Richtung Schönecken

Auch hier war die Beschilderung wieder mehr als dürftig und den lohnenden Abstecher zur Burg rauf, sollte machen wer wollte, ich jedoch nicht.

Nach zweimaligem Fragen bei der Schönecker Bevölkerung (hier waren wenigstens Menschen auf der Straße), fand ich wiederum den Weg raus aus der Stadt, hinauf und hinaus ins Nimstal

Das ist keine Landschaft.... also schon... das ist das Nimstal....

 

Das ist der Weg.

 

An irgendeiner Stelle an der es noch Bäume gibt, ist die Muschel befestigt (leider ist die eine Schraube im Laufe der Zeit verrostet und abgefallen, so dass auch der Richtungspfeil seine Richtung verändert hat. Das hatte zur Folge, dass ich auf einem Abhang durch den Wald rutschte, weil ich ja immer an den steilen Abstieg nach Waxweiler dachte, der wiederum zum damaligen Zeitpunkt noch Kilometerweise von mir entfernt war, bis ich zu dem Schluß kam: Dieser Pfad muss falsch sein, da er alsbald in die wirkliche Tiefe führte. Also robbte ich wieder rauf und versuchte die schiefhängende Muschel zu deuten, und siehe da, es konnte sein, dass sie ins freie Feld zeigte), und du hoffst mehr als das du es weißt, dass du in die richtige Richtung gehst.

 

Und wenn Du auf der Wiese, immer entlang des nicht abgemähten Korns gehst, dann bist du wieder auf dem richtigen Weg, weil irgendwann, wenn Du ganz doll drum bittest, findest du auf den Zaunpflöcken auch wieder eine gelbe Muschel auf blauem Grund und du bist dankbar ... unendlich dankbar.

Naja, und dann fängst Du an, Kilometer zu machen, weil Dir wird plötzlich klar, dass du die Tafel sehr wohl richtig verstanden hast. Es waren noch 14 Kilometer bis Waxweiler und dann noch der Abstieg? Oder war der inbegriffen? Wann wird es nochmal dunkel? Wie schnell bist Du jetzt eigentlich wirklich in der Stunde? Du aktivierst Runtastic um überhaupt mal zu checken, welche Chancen Du hast noch irgendwo anzukommen.

Und es geht bergab, es geht viel bergab und meine Knie fangen wieder an, bei jedem Schritt zu schmerzen. Diesmal ist es das rechte Knie

Endlich ein Schild. Ein Schild auf einer "gering befahrenen Kreisstraße". Eine Straße, die ich jetzt bis Waxweiler auch gehen soll.

Ich weiß mittlerweile, dass ich unter Druck auch die 4 KM in der Stunde gehe, die man gehen können soll.

 

Ich gehe einfach und dann bekomme ich etwas zu essen, ein kühles Bier und ein Taxi heim

Und dann war da noch Jakobus... der gering befahrene Kreisstraßen hasst und der dann einfach den ausgetretenen Wiesenpfad neben der gering befahrenen Kreisstraße gehen möchte. Und während du ihm folgst, weisst du schon, dass er dich immer weiter von der gering befahrenen Kreisstraße weg bringen wird.

 

Der Abstand zwischen Pfad und Straße wird immer größer, bis der Pfad schliesslich wieder im Wald verschwindet und sich unmerklich immer höher windet. Es ist so angenehm für die Knie bergaufzu gehen...

 

Und dann trittst Du aus dem Wald und es bietet sich dir ein wunderschöner Ausblick, den ich in dieser Situation gerne auch atemberaubend nenne.

Über mir die Mariensäule von Waxweiler und zu unserer beider Füßen, das kleine verschlafene Örtchen Waxweiler

 

Auf der Lichtung ein Parkplatz für Wanderer und Pilger, Walker und Jogger und zwei Autos und zwei Frauen, die sich an der Brüstung lehnend unterhalten, wann sie das nächste Mal Zeit für eine Runde Walking im Wald haben.

 

Menschen! Nein Engel! Mein Glück nicht fassend nähere ich mich ihnen vorsichtig, fast wie aus Angst sie zu verscheuchen wie ein Reh oder eine Fata Morgana.

 

Ich frage nach dem Weg, wie steil der Abstieg durch den Wald ist. Sehr steil. Schlecht, wenn man etwas an den Knien hat oder nicht schwindelfrei ist. Ich bekomme Angst. Der Weg ist mindestens noch mal zwei Kilometer lang. Durch den Wald kürzer aber steiler.

 

Dann sagt die eine Frau: "Wenn Sie möchten, kann ich Sie im Auto mit nach Waxweiler nehmen. Ich fahre sowieso da hin"

und ich antworte ihr nur: "Ja, bitte gerne"